
Manaakitanga & Kaitiakitanga.
„Gastfreundschaft“ und „Schutzwacht“ überschreiben das Māori-Kulturzentrum Te Puia in Rotorua. Beides erfüllen sie hier voll und ganz.
Die Māori. Die indigene Bevölkerung Neuseelands. Liest oder hört man „indigene Bevölkerung“, hat der satte, träge, halbgebildete und vorurteilsbehaftete Europäer sofort Schuldkomplexe vor der Stirn. Vokabeln wie „Ausbeutung“, „Elend“ oder „Sklaverei“ sind nicht weit, und tatsächlich: denkt man an andere indigene Völker wie die Ureinwohner Nordamerikas, Australiens Aborigines oder die Geschichte der Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents, kommt einem flugs das Continental Breakfast hoch.

Volle Symbiose.
Bei den Māori läuft das anders, so zumindest mein erster, völlig uninformierter Eindruck. Wer auch nur mit halboffenen Augen durch NZ schlurft, nimmt die Indigenen hier rasch als stolze, offene, deutlich in alle Schichten und Bereiche des öffentlichen Lebens eingebundene Größe war. Es ist absolut selbstverständlich und positiv besetzt, Māori in Neuseeland zu sein. Māori bekleiden wichtige politische Ämter, Stämme besitzen Ländereien und können unter anderem einen Bann aussprechen, mit dem Fremden / Nicht-Māori der Zutritt zu bestimmten Bereichen des Landes verwehrt wird. Ein solcher Bann ist sehr „weltlich“, er wird von der neuseeländischen Exekutive durchgesetzt, ein Zuwiderhandeln ist strafbar.

Im Gegensatz zu anderen Ecken dieser Welt, in denen weiße Siedler auf indigene Völker trafen, scheint es in Neuseeland fast von Beginn an eine (mehrheitlich) friedliche Koexistenz gegeben zu haben. Einen großen Anteil daran hat sicher das Selbstverständnis der Māori als Beschützer der Taonga, der Naturschätze und Schönheiten Neuseelands, sowie die überall präsente Māori Sprache. Wer mag, lese sich gern das entsprechende Wikimaterial durch.
Begegnungen.
Te Puia nun ist das Herz der Māori Community in Rotorua. Die heissen Schwefelquellen und der Pōhutu Geysir machten die Gegend schon vor Jahrhunderten zu einer heiligen Stätte.
Hier steht heute das „Besucherzentrum“, in dem die Angehörigen des lokalen Māori Stammes den Manuhiri (Besuchern) ihre Kultur näher bringen. Die Website wirbt mit dem Slogan „A place that changes you“ – und so ein bisschen ist da was dran; es nötigt einem schon jede Menge Bewunderung ab, was hier gezeigt und vermittelt wird.
Brauchtumspflege.

So existiert hier beispielsweise eine Handwerksschule, in der junge Māori während einer dreijährigen Ausbildung drei elementare Gewerke ihrer Vorfahren erlernen – und die Ergebnisse für gutes Geld an Kulturinstitutionen in ganz NZ verkaufen: Stein- und Knochenschnitzerei, Holzschnitzerei und Flachsflechten. In allem zeigt sich Respekt und Einklang für und mit der Natur: so entstehen zum Beispiel die Knochenschnitzereien aus Wal-Knochen.
Mein Freund, der Wal.
Die Tiere werden allerdings nicht gejagt, sondern stranden an Neuseelands Küsten – auf ihren Wanderrouten ist Aoteaora die letzte Station vor der Antarktis. Bis zu 300 Wale verenden jährlich hier am Strand. Die Māori verehren Wale als Schutzgeister: Als im 13. Jahrhundert die Urahnen der Māori aus Polynesien nach Süden aufbrachen, folgten sie in ihren Booten den Walen – und erreichten Neuseeland. Dementsprechend verarbeiten die Knochenschnitzkünstler ausschließlich Walgebein von gestrandeten Tieren. In der Ausbildung allerdings üben die Schüler mit allem, was beim Metzger so neben runter fällt.

Gendern? Kein Thema.
Ein weiterer Ausdruck tief verwurzelter Stammesidentität: Holz- und Steinschnitzereien werden ausschließlich männlich besetzt, Flachsflechten dagegen weiblich. Wer jetzt empört das Patriarchat der Stammeskultur an den Pranger stellen möchte, sieht sich rasch von der Māori Philosophie ausgehebelt: Während Männer durch ihre Arbeit quasi „Leben“, also Energie, Gedanken, Ideen durch ihre Arbeit „aus der Welt hinaus wie einen Samen in Holz und Stein tragen“, bringen Frauen „neues Leben“ in die Welt hinein. Würde also eine Frau sich mit Schnitzerei beschäftigen, geriete die spirituelle Balance aus Geben und Nehmen ins Ungleichgewicht. Nehmt das, Menschen die ihr euch über ein Sternchen oder einen Doppelpunkt aufregt.
Essen. Lehre. Rituale.
Das Titelbild übrigens zeigt ein Wharenui, ein traditionelles Stammeshaus. Für wichtige Zeremonien kommt der Stamm hier zusammen, feiert, trauert, diskutiert, schlichtet und berät. Rechts daneben steht ein Vorratshaus, in dem Essen gelagert wird. Nur wohlhabende Stämme können sich ein eigenes Provianthaus leisten. Auf der linken Seite schließlich ein Haus speziell für Kinder, die getrennt von den Erwachsenen ihre Aufgaben im Stamm übernehmen: Heranwachsen und Lernen. Wie in einer Art Schule wird der Nachwuchs hier in allem unterwiesen, was für die Māori von Bedeutung ist.
Nachhall. Nachhaltig.
Beeindruckend war der Besuch in Te Puia – im Nachhinein sehr zu empfehlen. Bin gespannt, welcher abschließende Eindruck am Ende der Reise von den Māori im Kopf bleiben wird – zuvorkommende Gastgeber und aufmerksame Wächter über Aoteaora sind sie alle Mal.

