Landschaft,  Reise,  Sightseeing

Die Wasserfälle am Schicksalsberg.

Drohend stehen die Wolken am stahlgrauem Nachmittagshimmel über dem Ngauruhoe. Flechten und Mose bedecken die Hochebene rund um das Tongariro-Massiv, die Landschaft karg und menschenleer. Man möchte Ringe in Vulkane werfen.

Der Gebirgszug um den Mount Tongariro liegt im Herzen der Nordinsel. Neben dem Namensgeber beherbergt die Region zwei weitere Gipfel; den Mount Ngauruhoe (durfte mit ein paar digitalen Anpassungen die Rolle des Schicksalsberges in Mordor spielen) und den Mount Ruapehu, mit knapp 3000m der höchste Vulkan Neuseelands.

Feuer aus dem Supervulkan.

Apropos Vulkane: Das gesamte Gebirgsmassiv ist ein einziger, teils noch aktiver Supervulkan, der vor rund 26.500 Jahren kollektiv ausbrach. Die Eruptionen verdunkelten auf Jahre hin die Atmosphäre in der Gegend und schufen unter anderem einen riesigen Krater, aus dem inzwischen der gut 1,5 Autostunden entfernte, sehr hübsche Lake Taupo geworden ist.

Pflegen und schützen.

Ganz Kiwi-like hat Neuseeland die komplette Gegend (natürlich) zum Nationalpark gemacht, geadelt durch die UNESCO: das Massiv ist inzwischen UNESCO Weltnaturerbe.

Tanz am Fuß des Vulkans.

Und so finden wir bei unserer Ankunft ein touristisch erschlossenes, äußerst zugängliches Naturwunder vor. Von unserer Base im Whakapapa-Village aus brechen Scharen von Abenteurern auf, um die Flanken der drei schlummernden Riesen zu bekraxeln, wahlweise mit Wanderschuhen, Spikes oder Skiern.

Voller Ehrfurcht und in klarem Bewusstsein unserer (sehr eng gesteckten) Leistungsgrenzen entscheiden wir uns bewusst gegen das berühmte „Alpine Crossing“, ein 8-stündiger Hike, der einmal quer über den (flachen) Gipfel des Tongariro führt. Denn auch für uns Flachland-Spaziergänger hat der Nationalpark vorgesorgt: vom Whakapapa Village aus führen diverse, zwei- bis vierstündige „Walks“ durch die unglaubliche Landschaft dieser einzigartigen Erdecke.

Nur nicht übermütig werden.

Wir nehmen zwei dieser Kurztrips aufs Korn: vormittags gehts zweieinhalb Stunden lang über gut ausgeschilderte Wege zu den Silica Rapids; Stromschnellen, die durch ihren vulkanischen Ursprung jede Menge Aluminium und Silikate mit an die Oberfläche bringen. Das Wasser, das dann zu Tal strömt, färbt die Flussbetten weißlich-gelb oder rostrot, dort wo Eisen(oxid?) mit enthalten ist.

Der Weg führt bergauf durch einen dichten Waldbestand, der irgendwie fast tropisch anmutet: Palmen stehen neben Buchen und Nadelbäumen; wie alles in Neuseeland eine abgefahrene Mischung aus Bekanntem, was man in dieser Kombination sonst nirgends sieht.

Auf der Hochebene wird’s dann „schottisch“ – Sümpfe, Flechten und Moose geben den Highlander.

Dazwischen immer wieder Wasserfälle – dafür sorgt die Berglandschaft fast nebenbei. Schließlich stehen wir (etwas außer Atem) am ersten Tagesziel: den Silica Rapids.

Wasserfall mit Führer.

Der späte Nachmittag bringt dann einen weiteren „Walk“, das Ziel: die Taranaki Falls. Dieses Mal allerdings sind wir mit professioneller Führung unterwegs. Warum? In der Vorbereitung jagt einem das Naturpark-Infomaterial diverse Schauer über den Rücken; man liest von allerlei Gefahren, die auch die einfachen Wanderungen angeblich mit sich bringen: das Wetter ändert sich in Minuten; es kann nass, glatt und windig werden, man verirrt sich, stürzt ab, wird von marodierenden Orks erwischt etc. pp.

So eingeschüchtert hatten wir im Vorfeld für diese Tour einen Führer angemietet – der im Gespräch dann selbst nicht so genau weiß, wieso diese Strecke eine eigene Führung braucht. Nun ja. Neben dem älteren, wettergegerbten britischen Rentnerpaar (selbstredend in Outdoorbekleidung im Gegenwert eines Kleinwagens), mit denen wir unterwegs prima quatschen, kam nun eben noch ein sehniger, durchtrainierter Kiwi mit, Marke „Halt ma eben mein Bier, ich zieh grad den Fallschirmgurt fest und spring da vorne von der Kante“. Einen Vorteil allerdings hat das Ganze…

Nach der Überquerung des unteren Stromlaufs geht es auch dieses Mal über die karge Hochebene, hier allerdings mehren sich die weniger prominenten Wasserfälle schon früh am Weg.

Bis wir dann schließlich nach einem knappen Stündchen den Star der Show erreichen: die Taranaki Falls.

Der feine Unterschied.

Jetzt allerdings lohnt sich der engagierte Outdoor-Extremsport-70-Kilo-Muskeln-und-Sehnen-Führer: unter seiner Anleitung gelingt es uns trotz mäßiger Körperbeherrschung, über nasse Steine und Geröll HINTER den Wasserfall zu kraxeln – wären wir ohne Guide im Leben nicht drauf gekommen.

Durchgeschwitzt, nass und glücklich treten wir den Rückweg an. Und als am nächsten Morgen das Tongariro-Massiv langsam, aber stetig im Rückspiegel verschwindet, bleibt die dankbare Gewissheit, einen weiteren, kleinen, sehr besonderen Teil Neuseelands erlebt zu haben.

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